Seit 40 Jahren sinkt die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in Deutschland. Laut Umfragen wird sich an der Beteiligung, derzeit geschätzt auf 67 bis 75 Prozent, bei der Bundestagswahl 2017 am Sonntag, 24. September, nicht viel ändern: Ein Viertel bis ein Drittel der Wahlberechtigten wird nicht zur Urne gehen. Für die Wallersdorfer Frauenliste eine bierernste Angelegenheit und Grund, für Erstwähler, Nichtwähler und Unentschlossene eine Veranstaltung, ähnlich den Fernsehsendungen zum Wahlkampf, direkt am Ort zu bieten, bei der sich Kandidaten und Vertreter einzelner Parteien vorstellen und Ziele bekanntgeben konnten.
Beauftragte der Frauenliste Ingrid Ast und Jugendbeauftragte im Marktrat Susanne Unger begrüßten in „Brandy’s Braugarage“ die Direktkandidaten Prof. Dr. Christoph Zeitler (FDP) Hans Feirer (Grüne), Klaus Seufzger (ÖDP), Marco Stöger (Die Linke) und SPD-Kreisvorsitzenden Dingolfing-Landau Dr. Bernd Vilsmeier. „Unsere Hoffnung hat sich nicht ganz erfüllt“, sagte Susanne Unger, da unter den Gästen nur vereinzelt junge Gesichter ausgemacht werden können. Dafür saßen umso mehr Unentschlossene in den Reihen. Nach der Vorstellungsrunde zeigte Ingrid Ast eine Präsentation über das Wahlverhalten. Demnach nannten Nichtwäh1er Unmut über Politiker sowie Unzufriedenheit mit Programmen der Parteien als die Hauptgründe für die Enthaltung bei den Bundestagswahlen.
1972 wussten noch viele, wo sie ihre Kreuzchen setzen: 91,1 Prozent der Wähler gaben damals ihre Stimme ab, ein absoluter Spitzenwert, der nie mehr erreicht wurde. „Die Jungen nutzen ihre Stimme nicht“, bedauerte Ingrid Ast: „Es geht um ihre Zukunft und zahlenmäßig sind sie der immer größer und mächtiger werdenden Wählergruppe 60 plus unterlegen.“ „Der Schatz, wählen zu dürfen, muss im Lehrplan plus verankert und Demokratie gelehrt werden“, sagte eine fünffache Mutter. Die Politiker pflichteten bei, wobei die Ansätze, Jugend für Politik zu interessieren, auseinanderdividierten. Indes meinte eine Hebamme, sie könne bei 95 Prozent aller Neugeborenen schon bei der Geburt sagen, was aus dem Kind werde: „Alles Geld der Welt hilft nichts, wenn Eltern keine Werte vorleben.“ In der Sache diskutierten die Politiker mit Respekt über Themen wie beispielsweise Minijob, Zeitarbeit oder dem Spitzensteuerschatz. Keine eingeblendete Stoppuhr gab Redezeiten vor und die Gäste empfanden es als angenehm, dass ihre Fragen ausführlich und ohne Dazwischenreden beantwortet wurden.
„Welches Bier wäre ich?“
Die letzte Frage an die Kandidaten lautete: „Welches Bier wäre ich?“ Im Regal der Craft-Beer-Brauerei schnappte sich Marco Stöger (Die Linke) ein Helles: „Ein ehrliches Bier, von dem man kein Kopfweh bekommt.“ Dr. Bernd Vilsmeier (SPD) entschied sich für die „Habedere Weiße“, ein bodenständiges Getränk. Die Wahl von Prof. Dr. Christian Zeitler (FDP) fiel auf die „Schneider-Nelson-Weiße“, ausschlaggebend für ihn: „5,5 Prozent“. Hans Feirer (Grüne) griff zur selben Flasche, allerdings wegen der Etikett-Angabe: unfiltriert, handwerklich. Indes bedauerte Klaus Seufzger (ÖDP) den Griff nach der„Baggerweiher-Halbe“ mit vier Prozent. In der Fragerunde bestimmten überwiegend die Rentenpolitik, Mietwohnungen, Bildung und Europa die Gespräche. Ausnahmslos alle Vertreter sparten sich einen Blick auf die Uhr und um 23 Uhr war die Diskussion noch immer nicht beendet.
„Besser als Flyer“
Das denken eine Unentschlossene und ein
Erstwähler über „Bierernst – Geh wählen“
Matthias Tobler und Nicole Haseneder haben die Veranstaltung der Frauenliste „Bierernst – Geh wählen“ besucht. Der Erstwähler und die Unentschlossene zogen beide das Fazit: „Interessant, aber linkslastig.“ Vermisst wurde die CSU. „Es wurde viel angesprochen in der begrenzten Zeit, interessant waren Informationen über die Finanzierung der Parteien.“ Was dem 20-Jährigen fehlte, waren Themen wie Verteidigung und Digitales. Er nutzte das Angebot und stellte viele Fragen. „Besser als Flyer. Lebendig und informativ.“
Nicole Haseneder weiß jetzt, wo sie ihre Kreuze machen wird. Broschüren liest sie nicht, Fernsehduelle oder dergleichen schaut sie nicht, weil diese oft eskalieren: „Ein respektvoller Umgang aller Kandidaten miteinander wäre wünschens- und empfehlenswert.“